zur Navigation

Modegeschichte

Das Etuikleid

Illustration: Etuikleid der 20er Jahre

Das Etuikleid, auch Shiftkleid oder Futteralkleid genannt, beschreibt eine klassische Form des Damenkleids. Es handelt sich dabei um ein eher gerade, schmal und figurbetont geschnittenes, ungefähr knielanges Kleid, ohne Dekoration. Klassisch erscheint es in gedeckten und dunklen Tönen, mit einem kragenlosen, schlichten, waagerechten oder runden Ausschnitt, ärmellos und ohne Querteilungsnähten.

Die Vorläufer des Etuikleids

Die Geschichte des Etuikleids beginnt im frühen 20. Jahrhundert: immer mehr Frauen arbeiten, treiben Sport und sind allgemein im Straßenbild sichtbar. Die voluminösen, versteiften Röcke, die vor Spitze und Schleifen überbordenden Kleider und die einengenden Korsetts erweisen sich für die aktiveren Frauen als unpraktisch. Die Kleider werden tendenziell schmaler, schlichter und damit auch materialsparender.
Zeitgemäß sind Hemd- oder Blusenkleider, gerade Tunikakleider, Kittelkleider und Gesellschaftskleider in Fasslinie, außerdem Prinzesskleider mit Längsteilungsnähten, betonter Taille und ausgestelltem Saum.

Foto von Adolf de Meyer, 1919: Blusenkleid

Das Etuikleid in den 20er Jahren

In den 20er Jahren wird das sehr gerade geschnittene Hängerkleid beliebt, sowohl als Gesellschaftskleid (der bequemere Schnitt erlaubt das wilde Tanzen zum Charleston, heute bekannt als „Flapper-Kleid“), als auch als Tageskleid. Gabrielle Chanel entwirft gerade geschnittene Jerseykleider und zwar unter anderem in der Farbe Schwarz.
Daraus entwickelt sich die populärste Vertreterin des Etuikleids: das kleine Schwarze (oder LBD, „little black dress“).

Die US-Vogue prophezeit 1926 über das schwarze Kleid von Chanel: „Dieses schlichte Kleid wird eine Art von Uniform für alle Frauen mit Geschmack werden.“

Kleidermode während des Zweiten Weltkriegs

In den 30er – 50er Jahren wird das Etuikleid von anderen Kleiderformen verdrängt: während der 30er und 40er Jahre tragen Frauen vermehrt „männliche“ Kleidungsstücke, wie Hosen, Overalls und schwere Mäntel mit breiten Schultern, außerdem uniformähnliche Kostüme. 1938 wird in Deutschland die Kennzeichnung „Ware aus arischer Hand“ von der Arbeitsgemeinschaft deutsch/arischer Bekleidungsfabrikanten e.V. (ADEFA) eingeführt. Produziert und verkauft wird nur noch Mode, die den nationalsozialistischen Ideologien entspricht. Über 200 Modehäuser und Konfektionsfirmen unter jüdischer Leitung werden „liquidiert oder arisiert“. Nicht nur in Deutschland und Österreich, auch in den USA ist Ende der 30er Jahre der „Dirndl and Tyrolean Look“ angesagt.

Der „New Look“

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwirft Christian Dior 1947 den „New Look“: sehr schmale Taillen, schmale Schultern, extrem viel Stoffverbrauch in weit schwingenden Röcken, dazu riesige Hüte und schmale Pumps. Die elegante, luxuriöse und verschwenderische Mode des „New Look“ steht im krassen Kontrast zur europäischen Nachkriegsrealität.

Das Revival des Etuikleids seit den 60er Jahren

Erst mit dem Film „Frühstück bei Tiffany“ erlebt das Etuikleid 1961 ein Revival. Hubert de Givenchy stattet Audrey Hepburn in dem Film mit diversen „Kleinen Schwarzen“ aus, diese werden weltweit kopiert. Yves Saint Laurent entwirft sachliche Etuikleider für die „Karrierefrau“.

Filmstill von Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany's

Besonders die First Lady Jackie Kennedy läutet mit den Kreationen ihres persönlichen Modedesigners Oleg Cassini eine neue Modeära ein und prägt den „Jackie-Look“: Jackie Kennedys Outfits bestehen aus schlichten, leicht taillierten Etuikleidern in kniebedeckender Länge und taillenkurzen, kastig geschnittenen Jäckchen mit Dreiviertelärmeln. Dazu trägt sie Pillbox-Hüte, lange Handschuhe und große ovale Sonnenbrillen. Die Etuikleider Cassinis verbinden die klare Geometrisierung der kommenden 60er Jahre mit mondän-femininen Details der 50er Jahre, wie Schleifen, Biesen und Raffungen. Kennedy gilt schnell als Stil-Ikone und wird vielfach imitiert.

Die ziemlich totalitäre Aussage aus der US-Vogue von 1926 bewahrheit sich zumindest in Europa und Nord-Amerika: das Kleine Schwarze, ebenso wie das Etuikleid, ist tatsächlich seit den 60er Jahren zum Standard der klassischen Damengarderobe geworden.

Das Etuikleid als Standard
klassischer und zeitloser Damengarderobe

Heute gilt das Etuikleid als zeitlos und ist durch seine schlichte Eleganz ein stilistisches Allround-Talent: je nach Material, Farbe, Styling und gewählten Accessoires kann es business-tauglich im Büro, als bequemes Tageskleid in der Freizeit, als Cocktailkleid oder zu einem abendlichen Anlass getragen werden.

Seit 2008 macht Michelle Obama als First Lady das Etuikleid sehr populär und trägt es in den verschiedensten Farb- und Materialvarianten.

In meiner aktuellen Kollektion zeige ich eine Interpretation des Etuikleids aus dunkelblauem Köper in einer Schurwoll-Leinen-Baumwoll-Mischung. Das Etuikleid verfügt über einen drapierten Ausschnitt und ist klassisch ärmellos. In das Vorderteil sind raffinierte Falten in Taillenhöhe eingearbeitet. Das Rückenteil verfügt über eine Querteilungsnaht in der Taille und Falten im Rockteil.

ärmelloses Tageskleid mit drapiertem Ausschnitt, gelegten Falten im Vorderteil und Rückenteil und seitlichen Eingriffstaschen

Verfasst von